Fotos: Bettina John, Pit Hinze

Friedenskonzert in Winterthur

Winterthur Seen – Unsere Gastgeber hatten uns gewarnt. Der Schweizer ist nur schwer aus der Reserve zu locken. Er hält sich mit Stimmungsäußerungen sehr zurück. Noch dazu in einer Kirche. Wir sollten also nicht zuviel Unterstützung, geschweige denn Applaus vom Publikum erwarten. Renate Schmid, eines unserer Chormitglieder ist befreundet mit diesen Schweizern. Eines Tages reifte bei Renate die Idee, „the sweet60s“ könnten doch bei Euch in Winterthur ein Konzert geben“, sagte sie zu ihren Freunden. „Vom Ansatz eine gute Idee“, zögerten die Schweizer, „aber wir wollen erstmal eine Kostprobe von Euch hören“. So reiste eine Delegation aus Winterthur nach Landsberg, um einer unserer Chorproben beizuwohnen. Von der Stimmgewalt der 44 Choristen sichtlich beeindruckt, war die Sache ziemlich schnell entschieden. „Wir machen das!“

Am 18. März sollte also unser Auftritt in der Kirche in Winterthur Seen stattfinden. Ein Bus wurde  gechartert. Bei Regen kamen wir in unserem Basiscamp, einer Villa im Herzen von Winterthur an. Unsere Gastgeber empfingen uns warmherzig, versorgten uns kulinarisch und brachten uns bei einer kurzen Stadtführung Winterthur näher. Vor Konzertbeginn stimmt uns Chorleiter Charles B. Logan mit den Worten ein: „Egal, wieviel Zuhörer wir haben werden. Wir feuen uns über jeden Einzelnen, dem wir mit diesem Konzert eine Freude machen können.

17 Uhr! Es geht los. Wir versammeln uns im Eingangsbereich der Kirche und marschieren dann rechts und links an den Sitzbänken der Zuschauer vorbei nach vorne in den Kirchenraum. Let there be Peace on Earth (Schafft Friede auf Erden). Unser erster Song ist sogleich Charles Botschaft an das Publikum. Ein weiterer bekannter Gospel-Song Wade in The Water beschreibt die damaligen Fluchtversuche der Sklaven. Sie wateten durch die Sümpfe um ihre Spuren vor den Suchhunden zu verwischen. Klassiker, wie We shall overcome, Amazing Grace, Oh Happy Day, Amen stehen noch auf dem Programmzettel.

Unserem jungen Pianisten Johannes Wiese ist an seinem Grinsen anzusehen, wie er selbst nach vielen Proben und Konzerten von dem Senioren Chor immer wieder überrascht und beeindruckt ist – von der stimmlichen Power der alten Herrschaften. Johannes hat ein achtjähriges Musikstudium absolviert und begleitet uns virtuos am Klavier. Von ihm ist schnelle Auffassungsgabe gefordert, denn Chorleiter Charles interpretiert die Songs gerne im letzten Augenblick immer wieder etwas anders.

Jeder im Raum spürt, wie Charles jedes seiner ausgewählten Musikstücke selbst lebt. Die Songs, die er alle für den Chor umarrangiert hat, füllt er mit seiner Kraft und holt alles aus den Sängern heraus. Und da passiert es wieder, der schwebend, flirrende Vierklang von Sopran, Alt, Tenor und Bass bei Spirit of God sorgt für eine gehörige Gänsehaut. Das ist die Magie, durch die das Publikum auch heute wieder angesteckt und mitgerissen wird, und die dem Chor diese Kraft gibt. Tenor Helmut Gropp, mit seinen bald 90 Jahren das älteste Mitglied im Chor, steht beim Konzert direkt hinter mir und beeindruckt mit seiner unglaublichen Stimmkraft. Die Winterthurer wollen uns auch nach einigen Zugaben nicht entlassen und halten uns mit ihrem Aplaus fest. Dann gibt Charles das Zeichen zum Abmarsch.

Es bleibt noch anzumerken, dass die Schweizer auch gerne tiefstapeln. Die Begeisterung und der Applaus waren nämlich alles andere als verhalten. Stehend, wippend und swingend haben sie uns gezeigt, dass sie doch aus sich rausgehen können, und zudem warmherzige Gastgeber sein können. Die Schweizer!

Pit Hinze 

<< zurück